Im Rahmen unserer Kooperation mit dem Historischen Seminar der Uni Hannover zur Aufarbeitung der NS-Zeit in Bad Pyrmont fand in diesem Wintersemester ein Praxisseminar statt, in dem die Teilnehmer tiefer in das Thema einstiegen und sich schon mit den ersten Quellen vertraut gemacht habe. Die ersten Forschungsergebnisse stellten die Studierenden nun in einem Blockseminar in Bad Pyrmont vor und diskutierten sie gemeinsam mit einigen lokalen Akteuren. Zu Gast waren Stadtarchivar Dr. Dieter Alfter, der Archivar des Landkreises Hameln-Pyrmont Jan Timmer, die Vorsitzende des Bad Pyrmonter Heimatbundes Adelheid Ebbinghaus, der Vorsitzende der Pyrmonter Theater Companie Jörg Schade sowie der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom.
Den Einstieg machte Marie Holtin, die sich mit dem Image Bad Pyrmonts nach 1933 beschäftigte und schon einmal deutlich machte, was uns an weiteren Stellen des Seminars immer wieder begegnete: Für die Kurgäste wurde eine weitgehend unpolitische Atmosphäre aufrechterhalten. In der Kurzeitung bspw. spielten Antisemitismus oder Krieg kaum eine Rolle. In der Bewerbung des Ortes fielen dann aber doch die Betonung der urdeutschen Landschaft oder der germanischen Tradition besonders ins Auge, die der NS-Ideologie besonders in die Hände spielten. Interessanterweise wurde auch weiterhin die Geschichte des Fürstenbades hochgehalten.
Christopher Liedtke untersuchte den Kurpark und seinen Bedeutungswandel im Nationalsozialismus. Prägende Figur war hier Werner Dirks, dessen Rolle im lokalen Gefüge noch weiter untersucht werden muss.
Robin Tammen stellte anhand zweier unterschiedlicher Beispiele die nationalsozialistische Gleichschaltung der lokalen Gesellschaft vor. Während die Bad Pyrmonter Schützengesellschaft weitgehend in die NS-Gesellschaft integriert wurde und Schützenfeste bis 1939 regelmäßig stattfanden, wurde die Freimaurerloge „Friedrich zu den drei Quellen“ verboten. Auch wenn die Loge vor 1933 nur knapp über 30 Mitglieder hatte, handelte es sich dabei doch um wichtige und einflussreiche Persönlichkeiten der Bad Pyrmonter Gesellschaft. In Voraussicht der politischen Entwicklungen traten kurz nach der Machtübernahme schon etwa die Hälfte der Mitglieder aus wirtschaftlichen oder weltanschaulichen Gründen aus der Loge aus.
Tom Binner stellte den letzten demokratisch gewählten Pyrmonter Bürgermeister Uhde sowie seinen Amtsnachfolger Zuchhold vor, dessen Geschichte man kaum glauben könnte, wenn man sie in einem Spielfilm gesehen hätte. Charakterlich äußerst fragwürdig und kriminell wurde Zuchhold dann 1942 durch Richard Seebohm als Bürgermeister ersetzt.
Amrei Günther verschaffte den Teilnehmern einen ersten Überblick über die Faktoren Kurortsmedizin, Kurmusik und Sport und wie diese sich insbesondere im Verlauf der 30er Jahre den Vorstellungen des Nationalsozialismus angepasst haben.
Bad Pyrmont und die Inszenierung der Reichserntedankfeste am Bückeberg war das Thema von Fynn Kreller, der an verschiedenen Beispielen zeigte welche Bedeutung das nahe Propagandafest auch für die Stadt hatte. Dazu gehörten u. a. die Besuche der NS-Elite wie Joseph Goebbels, die Einrichtung einer Sendestation von Telefunken im Kurhaus oder auch Wettbewerbe zur Dorfverschönerung, den u. a. das heute zu Bad Pyrmont gehörende Löwensen gewann. Die zeitgenössische Schlagzeile der Dewezet, die Bad Pyrmont als „großes Hauptquartier“ bezeichnete, entsprach dagegen sicherlich nicht der Realität.
Einen ersten Einblick in die Nachkriegszeit gab Ben Rieger, der exemplarisch einige Entnazifizierungsakten aus dem Niedersächsischen Landesarchiv präsentierte.
Zum Schluss stellte Jörg Schade von der Bad Pyrmonter Theater Companie seine Recherchen vor. Dabei vermittelten insbesondere die seltenen Filmdokumente, die er bereits finden konnte sowie die Zeitzeugeninterviews, die er führte und in kurzen Ausschnitten vorstellte, einen äußerst lebendigen Eindruck von der Zeit.
Das Blockseminar endete dann eine Stunde früher als geplant, damit die Teilnehmer rechtzeitig zur Demonstration gegen Rechtsextremismus in Hannover sein konnten. Ein wichtiger Abschluss für unser Seminar, der nicht nur zeigt wie erschreckend aktuell das Thema ist, sondern auch wie wichtig die Aufarbeitung dieser Zeit ist, um rechte Mechanismen rechtzeitig erkennen und ihnen entgegenwirken zu können.
Museum Bad Pyrmont
Schloßstraße 13
31812 Bad Pyrmont
Telefon 05281 606771
Telefax 05281 969126
E-Mail: info@museum-pyrmont.de
Öffnungszeiten
täglich außer montags
von 10 bis 17 Uhr
Bitte beachten Sie die Hinweise zu den Feiertagen.
Eintrittspreise
Erwachsene 4 €
Kurgäste und Schwerbehinderte 3 €
Schüler, Studenten und Arbeitslose 2 €
Gruppen ab 10 Personen 2,50 € pro Person
Familienkarte 8 €
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